PD Dr. Reinhold Cremer, Leiter der Spina bifida Ambulanz am SPZ des Universitätsklinikum Bonn, berichtete im Rahmen der Fachtagung der SBHC zum Thema Blase und Darm bei Spina bifida.

Kontinenz bedeutet willkürliche Miktion und Defäkation. Die Kontrolle über diese Funktion, das „Miktionszentrum“ liegt im Rückenmark auf der Höhe des Steißbeins bei S1. Dies erklärt, warum die große Mehrheit der Menschen mit Spina bifida auf die eine oder andere Art von Inkontinenz betroffen ist.

Man unterscheidet zwischen verschiedenen Blasentypen, die bei Spina bifida vorkommen, wobei der große Blasenmuskel, der Detrusor und der Blasenschließmuskel, der Sphinkter, gemeinsam beurteilt werden. Mit einem Minuszeichen wird hierbei eine schlaffe Lähmung bezeichnet, mit einem Pluszeichen eine Überaktivität.

 Detr. / Sphinkt.Detr. / Sphinkt.Detr. / Sphinkt.Detr. / Sphinkt.
Blasentypen       – –     +             –   –       +     +            +

Bei den letzten drei Typen (+/-, -/+ und +/+) muss die regelmäßige Entleerung der Blase durch Katheterisieren sichergestellt werden.

Ohne den Einsatz von Hilfsmitteln (Kathetern) wird Kontinenz also in der Regel nicht erzielt werden.

Wenn der große Blasenmuskel überaktiv ist, muss er medikamentös behandelt werden, um das Aufsteigen von Harn in die Nieren zu verhindern (Vesiko Uretealer Reflux, kurz VUR9. Idealerweise sollte dies möglichst nebenwirkungsarm erfolgen. Viele der oral einzunehmenden Medikamente sind jedoch nicht für Kinder zugelassen, sodass hier nur die Wahl zwischen Propiverin und Oxybutinin besteht, die bei oraler Einnahme leider Mund- und Augentrockenheit, Herzklopfen und Herzrhythmusstörungen sowie eine verminderte Schweißproduktion zur Folge haben. Weniger stark sind die Nebenwirkungen bei der Gabe direkt über die Blase, weil hier der Weg nicht über die Nieren geht.

Der Wunsch nach nebenwirkungsarmen Medikamenten zur Behandlung einer überaktiven Blase ist also zum jetzigen Zeitpunkt zumindest für Kinder nicht erreichbar.

Auch die Vermeidung von Harnwegsinfekten ist Ziel des Blasenmanagements bei Spina bifida. Auch ohne prophylaktische Antibiose sei die Anzahl der Harnwegsinfekte geringer, wenn ISK durchgeführt, als ohne diese Maßnahme. Die Dauerantibiose senke nur die Anzahl symptomloser Harnwegsinfekte (Asymptomatische Bakteriurie), die jedoch ohnehin keiner Behandlung bedürften.

Der Versuch, den Blasendruck dauerhaft durch eine Erweiterung (Augmentation) der Blase zu erzielen, ist ebenfalls nicht ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Zur Erweiterung der Blase wird Darmschleimhaut verwendet, ein Hauttyp, der nicht dafür gemacht ist, mit Urin in Kontakt zu kommen. Der Schleim, den die Darmschleimhaut absondert, kann Katheter oder ein Stoma verstopfen. Zudem gibt es eine gewisse Neigung zur Entstehung von Tumoren im Verlauf der Augmentation.

Eine weitere operative Behandlung bei Inkontinenz ist der Einsatz eines künstlichen Schließmuskels. Hierbei wird eine Manschette um die Harnröhre gelegt, die über einen Ballon aufgepumpt wird und die Harnröhre zudrückt. Über ein weiteres Ventil wird die Luft aus der Manschette gelassen, wenn die Blase entleert werden muss (Info z.B. hier). Das Problem hierbei ist jedoch, dass die Harnröhre nicht positiv auf den Druck durch die Manschette reagiert. Sie kann verkleben und Entzündungen sind die Folge. Auch die Blase verträgt diesen Eingriff unter Umständen nicht so gut. Dr. Anne Bredel-Geißler vom MZEB Mainz ergänzte hier, dass nur wenige der an ihrem Zentrum betreuten Erwachsenen mit diesem Eingriff zufrieden seien, und er überdies zur Faulheit verführe.

Stuhlinkontinenz ist lange Zeit vernachlässigt worden. Lange galt das Ausräumen des Enddarms als angemessenes Mittel der Entleerung. Aber auch der Darm kann Schaden nehmen, wenn er nicht regelmäßig geleert wird. Zudem wirken die Anticholinergika, die den Blasenmuskel beruhigen sollen auch negativ auf die Darmtätigkeit. Durch transanale Irrigation (das Einleiten von Wasser in den Darm über einen im Rektum geblockten Katheter) kann der Darm zuverlässig entleert werden. Der Darm kann ebenfalls über ein Spülstoma entleert werden (Malone-Stoma), mit dem man längere Bereiche des Darms beim Spülen erreicht.

Darüber hinaus gibt es jedoch kein gutes Mittel, um unwillkürlichen Stuhlverlust zu verhindern, denn Analtampons halten in der Regel nicht. Sie weiten lediglich das Rektum, und rutschen heraus, wenn der Druck zu hoch ist.

Insgesamt kann man sagen, dass die Kontinenz bei Spina bifida nur mit Kompromissen erreicht werden kann, allerdings ist die Blasen- und Darmgesundheit durch den richtigen Einsatz von Medikamenten und Hilfsmitteln ganz gut zu erhalten.