Deformitäten, eine instabile Sitzposition, Hautprobleme aufgrund von Gibbus-Bildungen der Wirbelsäule und die Gefahr einer Einschränkung der Lungenfunktion sind Therapie-Indikatoren für eine orthopädische Behandlung bei Spina bifida.
Dr. Micha Langendörfer, Chefarzt der Kinderorthopädie an der Asklepios Klinik St. Augustin, berichtete im Rahmen der Fachtagung der SBHC über verschiedene Möglichkeiten, den Status der Rückengesundheit zu verbessern oder zumindest zu erhalten.
Der Grundbaustein der Behandlung orthopädisch bedingter Rückenproblemen bilde, so Langendörfer, immer die Physiotherapie. Auch andere Nicht-Operative Methoden wie die Anpassung eines Korsetts zur Stützung der Wirbelsäule kämen infrage, jedoch kann ein Korsett die Atmung einschränken und die Haut belasten (Gefahr von Druckstellen). Auch reiche diese Methode zum Teil nicht aus, um den Zustand dauerhaft zu verbessern.
Unbehandelt nehmen Kyphosen (Verkrümmungen der Wirbelsäule nach vorne) im Verlauf zu. Auch seitliche Verformungen, die sogenannten Skoliosen, verstärken sich jedes Jahr um bis zu 13°, sodass im Erwachsenenalter die Funktion des Oberkörpers stark beeinträchtigt zu werden droht. Thorax-Insuffizienzsyndrom nennt man die Einschränkung, die durch ein zu geringes Wachstum des Oberkörpers entsteht. Es äußert sich unter anderem darin, dass die Lunge den Menschen nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgen kann, weil ihr der Platz fehlt sich auszudehnen.
Die operative Therapie erfordert immer eine individuelle Vorgehensweise. Bei Kindern z.B. ist es unabdingbar, dass sich das System an das Wachstum anpassen lässt. Eine endgültige Versteifung des Rückens („Spondylodese“) kann erst erfolgen, wenn der Oberkörper lang genug ist, um im Erwachsenenalter zu funktionieren.
Mitwachsende Systeme erfüllen bei jungen Patienten die Aufgabe, Verformungen der Wirbelsäule zu stoppen oder zu korrigieren, ohne das Wachstum zu hemmen.
Das gängigste System dieser Art der Korrektur ist das sogenannte V.E.P.T.R. – System: Vertical Expandable Prosthetic Titanium Ribs – in der deutschen Übersetzung „vertikal expandierbare Titan-Rippenprothese“. Beiderseits der Wirbelsäule werden ausziehbare Titanstäbe eingesetzt, die oben zwischen zwei Rippen und unten in der Regel auf dem Beckenkamm verankert werden. Etwa alle sechs Monate werden die Stäbe im Rahmen eines minimal invasiven Eingriffs verlängert.
Eine Alternative zum VEPTR bietet das MAGEC-System (Magnetic expension control). Hier besteht die Möglichkeit, die Stäbe für den Patienten schmerzfrei von außen zu verstellen. Dies erfolgt mithilfe eines Kontrollgerätes, das über ein starkes Magnetfeld verfügt. Allerdings dürfen diese Systeme nicht länger als maximal zwei Jahre implantiert bleiben. Danach müssen sie entfernt werden, sodass sich dieses System nur dann anbietet, wenn im Prinzip das Ende der Wachstumsphase bereits abzusehen ist. Auch die Stärke der Motoren, die die Stäbe von innen auseinander bewegen ist ein limitierender Faktor.
Eine noch relativ neue Methode ist das „Vertebral body tethering“. Hier werden auf der Außenseite der Verkrümmung Schrauben mit Ösen in die Wirbelkörper eingesetzt und mit einem festen Band verbunden. Im weiteren Verlauf des Wachstums wird dieses auf der fixierten Seite unterbunden und die Wirbelsäule wächst sich sozusagen gerade. Zum einen muss allerdings hier der richtige Zeitpunkt gefunden werden, nämlich kurz vor dem Einsetzen des letzten Wachstumsschubes in der Pubertät. Für jüngere Kinder eignet sich diese Methode nicht. Auch ist die Stabilität dieses Systems sehr viel geringer als bei den Stab-basierten Methoden.
Bei ausgewachsenen Patienten schließlich kann eine endgültige Versteifung der Wirbelsäule erfolgen, bei der die einzelnen Wirbelkörper fest miteinander verbunden werden, um eine Stabilität des Oberkörpers und damit verbunden eine stabile Sitzposition zu erreichen.
Bei allen orthopädischen Maßnahmen ist zu beachten, dass die Implantate so gut versenkt werden, dass durch sie keine Druckgeschwüre entstehen können. Gerade dünne Patienten sind hiervon häufig betroffen.